Tag 2899 Stellungnahme zum Vergleichsvorschlag

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Sehr geehrter Herr Gerichtspräsident

Sehr geehrte Damen und Herren

Ich beziehe mich auf Ihre Verfügung vom 1. März 2022, in welcher die Kläger ersucht wurden, dem Gericht bis 1. April 2022 mitzuteilen, ob der Vergleichsvorschlag des Gerichts akzeptiert wird. Mit Verfügung vom 30. März 2022 wurde diese Frist freundlicherweise bis zum 3. Mai 2022 erstreckt. Die heutige Eingabe erfolgt damit innert Frist.

Vorab möchte ich mich Namens und im Auftrag der Kläger herzlich für die grossen Bemühungen bei der Erarbeitung des Vergleichsvorschlags und die sorgfältigen Berechnungen im Zusammenhang mit der güterrechtlichen Auseinandersetzung bedanken.

Es ist den Klägern bewusst, dass ein Gesamtvergleich im Rahmen einer Herabsetzungsklage schwierig ist, zumal eine Gesamtlösung an sich nur im Rahmen einer Teilungsvereinbarung möglich ist, welche auf einem anderen Tatsachenfundament beruht. In diesem Sinne werden wir nachfolgend einige ergänzende Ausführungen machen und dem Vergleichsvorschlag des Gerichts einen Gegenvorschlag gegenüberstellen, der dieser Problematik (mindestens teilweise) Rechnung trägt.

Bemerkungen zu den relevanten Berechnungszeitpunkten in güter- und erbrechtlicher Hinsicht sowie der Berechnung des Anspruchs der Kläger

Gemäss Art. 204 Abs. 1 ZGB wird der Güterstand mit dem Tod eines Ehegatten aufgelöst. Entsprechend ist die güterrechtliche Auseinandersetzung auf den Todeszeitpunkt, d.h. per 2014 vorzunehmen. Die Erträge im Vermögen des Erblassers nach diesem Zeitpunkt fallen hingegen in den Nachlass und bilden nicht mehr Gegenstand der güterrechtlichen Auseinandersetzung.

Bei der erbrechtlichen Auseinandersetzung ist zwischen der Pflichtteilsberechnungsmasse und der Teilungsmasse zu unterscheiden. Die Pflichtteilsberechnungsmasse ist ein rein rechnerischer Wert, aus welchem sich die Pflichtteile bzw. die verfügbare Quote berechnen. Massgebend für die Berechnung ist das Bruttovermögen des Erblassers im Zeitpunkt des Todes (Art. 474 Abs. 1 ZGB) abzüglich Erblasserschulden und Erbgangsschulden (Art. 474 Abs. 2 ZGB) zuzüglich Zuwendungen, die der Ausgleichung nach Art. 626 ff. ZGB oder der Herabsetzung gemäss Art. 475/527 ZGB unterliegen sowie Ansprüche gemäss Art. 476 ZGB.

Die Teilungsmasse wiederum besteht aus den tatsächlich vorhandenen Erbschaftsaktiven und -passiven. Massgebend ist das Bruttovermögen des Erblassers im Zeitpunkt der Erbteilung gemäss Art. 617 ZGB abzüglich der Erblasserschulden und der Erbgangsschulden (Art. 474 Abs. 2 ZGB) zuzüglich Zuwendungen, die der Ausgleichung nach Art. 626 ff. unterliegen, sofern nicht real eingeworfen wird.

Bei der vorliegenden Klage handelt es sich um eine Herabsetzungsklage. Die Kläger haben einen Pflichtteilsanspruch von je 1/8, wobei unter anderem die Zuwendungen im Ehe- und Erbvertrag vom 24. Januar 1990 auf das erlaubte Mass zu reduzieren sind. Die Kläger partizipieren – nach Vornahme der güterrechtlichen Auseinandersetzung – somit im Umfang von 1/8 als Erben im Nachlass des Erblassers. Selbst wenn der Anspruch nun in bar abgegolten wird, ist der Anspruch der Kläger auf der Basis der Teilungsmasse zu berechnen, wobei der Erbteil von 1/8 wertmässig den Pflichtteil, welcher auf der Basis der Pflichtteilsberechnungsmasse berechnet wird, nicht unterschreiten darf.

Generelle Bemerkungen zum Vergleichsvorschlag

Mit Blick auf das soeben Ausgeführte ist zu der vom Gericht vorgenommenen Berechnung in genereller Hinsicht das Folgende anzumerken:

Die Pflichtteilsberechnungsmasse muss aufgrund des einstweilen noch nicht durchgeführten Beweisverfahrens auch die sehr substanziellen und unerklärten Barbezüge kurz vor dem Tod des Erblassers einbeziehen (siehe Klagebegründung Rz. 135 f.). Diese Barbezüge können nicht einfach verschwunden sein. Darüber wäre bei Fortgang des Verfahrens Beweis zu führen und die Beklagte wäre dazu zu befragen. Die Kläger haben die unerklärlichen Barbezüge in der Pflichtteilsberechnungsmasse vergleichsweise einstweilen mit 50% berücksichtigt.

Die lebzeitigen Zuwendungen an […] gehören – sollten solche über die vom Gericht bereits berücksichtigten Darlehen geflossen sein, was im Rahmen eines Beweisverfahrens zu eruieren wäre – ebenfalls in die Pflichtteilsberechnungsmasse.

Das Gericht hat es vorliegend verständlicherweise unterlassen, die Teilungsmasse zu bestimmen. Dies erstaunt nicht weiter, weil die Teilung nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet. Im Rahmen der vorliegenden Klage ist es an sich lediglich möglich, 1) die güterrechtliche Auseinandersetzung vorzunehmen, 2) den Pflichtteil anhand der Pflichtteilsberechnungsmasse festzulegen und 3) festzustellen, dass die Kläger Erben im Umfang ihres Pflichtteils von je 1/8 sind. Da nun aber ein Gesamtvergleich angestrebt wird, müssten zwingend die Vermögensbewegungen zwischen Todestag und Teilungstag und damit der Stand des Vermögens per Teilungstag berücksichtigt werden. Die Kläger partizipieren an Wertzunahmen und -abnahmen zwischen Todestag und Teilungstag.

Da im Nachlass des Erblassers eine Erbschaftsverwaltung eingesetzt wurde, liegt Zahlenmaterial zu diesen Wertveränderungen vor. Aufgrund des lange dauernden Gerichtsprozesses, und der bis heute nicht vorgenommenen güterrechtlichen Auseinandersetzung, hat der Erbschafts verwalter jedoch keine Buchhaltung geführt, in welcher sich ausschliesslich Nachlassvermögen befindet. Es ist damit nicht möglich, einfach den Bestand gemäss Bilanz per Ende 2021 als Teilungsvermögen zu übernehmen, zumal die Bezüge der Beklagten aus dem Nachlass nicht abgegrenzt wurden.

Im Rahmen der vorliegenden Vergleichsgespräche werden die Kläger daher die Teilungsmasse überschlagsmässig auf der Basis der Pflichtteilsberechnungsmasse erstellen und die Nettoerträge seit dem Todestag hinzurechnen. Ich verweise dazu auch auf die Eingabe der Kläger vom 12. November 2021, inkl. die beigefügten Berechnungen. An sich wären für die Teilungsmasse auch betreffend die Liegenschaften aktuelle Verkehrswerte massgebend, was die Teilungsmasse nochmals massiv erhöhen würde. Vergleichsweise sind die Kläger jedoch bereit, auf die Berechnung gemäss beigefügtem korrigierten Excel und die Verkehrswerte wie vom Gericht nun eingesetzt, abzustellen.

Rechnet man die Gewinne und Verluste seit 2014 bis Ende 2021 zusammen, so ergibt sich ein Nettovermögenszufluss im Nachlass des Erblassers von mindestens CHF […]. Die Berücksichtigung der Erträge wurde u.a. im Schreiben der Kläger vom 12. November 2021 für eine Vergleichslösung vorausgesetzt, was von der Beklagten nicht beanstandet wurde. Aufgrund des Fristablaufs im Februar 2022 sind nun auch die Erträge 2021 zu berücksichtigen. Die Kläger haben den vorstehenden Betrag zur Pflichtteilsberechnungsmasse hinzugerechnet. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass auch die Vorzugsmieten im Rahmen der Erbteilung zu berücksichtigen wären. Diese haben bisher zahlenmässig keinen Eingang in die Buchhaltung des Erbschaftsverwalters gefunden. Der Erbschaftsverwalter […] schrieb in einer E-Mail vom 15. März 2021 wie folgt:

«Zur Miete von Herrn […] ist vielleicht zu ergänzen, dass er bestätigt hat, dass hier ein Ausgleich zu erfolgen hat.»

[…] verwaltet im Auftrag der Erbschaftsverwaltung die Liegenschaften. Auch diese aufgrund des langen Zeitablaufs erheblichen Beträge haben keinen Eingang in den Vergleich gefunden.

Bemerkungen und Korrekturen zum Excel Vergleichsvorschlag

Liegenschaft KTN […] und KTN […]

Die Kläger haben sich vergleichsweise bereit erklärt, die CHF […] der Errungenschaft des Erblassers und nicht dem Eigengut zuzuordnen. Dies unter der Annahme, dass dieses Zugeständnis der Kläger nicht als Querschenkung an die Beklagte qualifiziert. Sollte der Prozess weitergeführt werden, gilt das Behauptungsfundament in den klägerischen Rechtsschriften (vgl. dazu Stellungnahme vom 12.11.2021). Würden die CHF […] dem Eigengut des Erblassers zugerechnet, was an sich korrekt wäre, betrüge der Pflichtteil der Kläger basierend auf den Berechnungen des Gerichts mindestens CHF […].

Hervorzuheben ist überdies, dass die auf der Basis von teilweise sehr alten Schätzungen eingesetzten Verkehrswerte äusserst tief sind. Bei Verkehrswerten per Todestag (Pflichtteilsberechnungsmasse) bzw. per heute (Teilungsmasse), resultierten viel höhere Werte. Die Kläger sind jedoch bereit, vergleichsweise, unpräjudiziell und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht die teilweise auf alten Schätzungen basierenden Verkehrswerte im Rahmen eines Vergleichs so zu akzeptieren.

Liegenschaft […]

Die Kläger akzeptieren vergleichsweise die vom Gericht vorgenommene Berechnung. Anzumerken ist, dass der Verkehrswert dieser Liegenschaft, aus bereits in verschiedenen Stellungnahmen dargelegten Gründen, weit unter dem effektiven Verkehrswert liegt.

Liegenschaften […] Nr. […] und Nr. […]

Diese wurden korrekterweise als Errungenschaft der Ehefrau qualifiziert.

Liegenschaft KTN […]

Die Berechnung ist an sich korrekt. Der Mehrwertanteil der Hypothek müsste allerdings lediglich der Errungenschaft des Erblassers zugeordnet werden. Dies spielt zahlenmässig allerdings vorliegend keine Rolle.

Darlehen der Beklagten an den Erblasser

Die Höhe des Darlehens von der Beklagten an den Erblasser von CHF 170’000 ist unbestritten. Im Rahmen der Stellungnahme vom 12. November 2021 waren die Kläger auf der Basis der dieser Stellungnahme beigefügten Berechnungen bereit, die CHF […] betreffend KTN […] und […] als Errungenschaft qualifizieren zu lassen (vgl. Ziff. 3 dieses Schreibens). In der Excelberechnung wurde auf S. 4 explizit darauf hingewiesen, dass das Darlehen diesfalls aber nicht mehr als Schuld des Eigenguts akzeptiert werden kann (S. 4 des der Stellungnahme beigefügten Excels). Es ist nicht korrekt, dass die gesamten Investitionen in KTN […] und KTN […] der Errungenschaft des Erblassers zugeordnet werden, gleichzeitig aber die Finanzierung (Schulden) vollumfänglich dem Eigengut zugeordnet werden. Die Kläger haben daher die Schuld von CHF 170’000 im Rahmen des vorliegenden Vergleichs seiner Errungenschaft zugeordnet.

Die Berechnung der Darlehenszinsen kann nicht nachvollzogen werden. Die Beklagte hat diese denn auch nie konkret substantiiert und berechnet. Dies hat sie nachzuholen, damit die Kläger das rechtliche Gehör wahren können. Andernfalls werden Darlehenszinsen im Rahmen des vorliegenden Vergleichs nicht akzeptiert.

Rückstellung von CHF 200’000 für potenzielle Steuerforderungen

Die Rückstellungen von CHF 200’000 für potenzielle Steuerforderungen sind unter anderem mit Blick auf die nun eingefügte umfassende Saldoklausel nicht akzeptabel. Die Nachsteuern auf dem allenfalls nicht deklarierten Vermögen dürften sich nach Auskunft des Steueramtes im tiefen vierstelligen Bereich bewegen (wenn denn überhaupt noch Nachsteuern anfallen und diese nicht entweder nicht geschuldet oder allenfalls bereits verjährt sind). Der Steuersatz auf dem Vermögen betrug in den einschlägigen Jahren 5 pro Mille. Zudem sind auf allfälligen Nachsteuern Verzugszinsen von wohl 3.5% geschuldet. Eine überschlagsmässige Berechnung zeigt, dass die vorgenommenen Rückstellungen völlig überrissen sind und daher vollständig aufzulösen sind. Die Steuern dürften denn auch individuell geschuldet sein und auch die Kläger haben trotz Saldoklausel weiterhin ein Risiko, vom Staat belangt zu werden. Aufgrund der Saldoklausel wäre dann ein Rückgriff auf die Be klagte nicht mehr möglich. Eine Alternative bestünde darin, die CHF 200’000 von der Saldoklausel auszunehmen.

Korrigierter Vergleichsvorschlag

Nach Vornahme der aufgeführten Anpassungen in der Excel-Berechnung des Gerichts, beträgt der Pflichtteil der Kläger mindestens CHF […] Der Anspruch der Kläger gestützt auf die vorliegend im Rahmen des Vergleichs sinngemäss anhand der Pflichtteilsberechnungsmasse hergeleiteten «Teilungsmasse» beträgt hingegen mindestens CHF […]. Würde man auf die effektiv für die Teilung relevanten aktuellen Werte abstellen, so wäre der Anspruch der Kläger substanziell höher.

Prozesskosten

Das Gericht hat die Kosten der Verfügung vom 26. September 2018 den Klägern auferlegt. Das wird so akzeptiert.

Unberücksichtigt blieb im gerichtlichen Vorschlag jedoch der Entscheid vom 15. Mai 2019, in welchem die Beklagte vollumfänglich unterlag. Die Kosten- und Entschädigungsfolgen wurden darin auf den Endentscheid verlegt. Dies ist im Rahmen des Vergleichs zu Lasten der Beklagten zu berücksichtigen. Die Kläger sind im Rahmen des Vergleichs auch nicht bereit, vollumfänglich auf eine Prozessentschädigung zu verzichten. Die Kläger werden mit ihrem Hauptantrag betreffend Herabsetzung vollumfänglich durchdringen. Sogar der Pflichtteilsanspruch wurde von der Beklagten bestritten bzw. die Abweisung beantragt. Die Kläger überlassen es dem Gericht, den Parteien unter Berücksichtigung dieser Prozesslage eine faire Lösung vorzuschlagen.

Die Kläger gehen davon aus, dass für die nutzlosen Gutachten von Herrn […] den Parteien keine Kosten auferlegt werden. bzw. die entsprechenden Honorarrechnungen nicht bezahlt wurden. Auch dies wäre bei der Regelung der Kostenfolger zu berücksichtigen.

Die Kläger nehmen schliesslich dankend zur Kenntnis, dass das Gericht seine Kosten tief angesetzt hat.

Vergleichstext

Die Kläger schlagen unter Berücksichtigung des vorstehend Gesagten den folgenden Vergleichstext vor (der Vergleich steht unter dem Vorbehalt der schriftlichen Vereinbarung):

  1. Die Beklagte bezahlt den Klägern in Abgeltung ihres Pflichtteils die folgenden Beträge: […]
  2. Die Beträge gemäss Ziff. 1 vorstehend in Abgeltung der Pflichtteilsansprüche der Kläger sind innert 5 (fünf) Arbeitstagen (Verfalltag) nach Unterzeichnung des vorliegenden Vergleichs auf die folgenden Konti der Kläger zu überweisen: […]
  3. Die Beklagte legt bei Unterzeichnung der vorliegenden Vereinbarung ein unwiderrufliches Zahlungsversprechen einer in der Schweiz domizilierten Bank vor, mit welchem diese die Ausführung der Zahlungen der unter Ziff. 1 vorstehend autgeführten Beträge innert fünf Arbeitstagen nach Unterzeichnung der Vereinbarung garantiert.
  4. Spätestens innert fünf Arbeitstagen nach Eingang der Zahlungen auf die unter Ziff. 2 aufgeführten Konti werden die Kläger dem Gericht den Zahlungseingang schriftlich mitteilen und das Gericht wird das Verfahren danach als infolge Vergleichs erledigt abschreiben.
  5. Die Gerichtskosten werden den Parteien wie folgt auferlegt […].
  6. Die Beklagte bezahlt den Klägern vereinbarungsgemäss eine Prozessentschädigung von je CHF […].
  7. Der Beklagten wird nach Rechtskraft des Abschreibungsentscheids gemäss Ziff. 4 vorstehend ein Erbschein (Alleinerbein bzw. Vorerbin) ausgestellt.
  8. Mit Vollzug dieser Vereinbarung sind die Parteien mit Bezug auf den Nachlass von […] per Saldo aller gegenseitigen Ansprüche vollständig auseinandergesetzt.

Ich bitte das Gericht höflich, die obigen Ausführungen zu berücksichtigen und den vorstehenden Vergleichsvorschlag entsprechend zu übernehmen bzw. den gerichtlichen Vergleichsvorschlag anzupassen.

Freundliche Grüsse

 

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