Sehr geehrter Herr Einzelrichter
Hiermit reiche ich innert der freundlicherweise bis am 3. April 2015 erstreckten Frist die Stellungnahme zur Einsprache vom 5. März 2015 von […] (nachfolgend auch «Einsprecherin» genannt) ein. Namens und im Auftrag meiner Klienten stelle ich die folgenden
Anträge:
Die Anträge der Einsprecherin seien vollumfünglich abzuweisen
Es sei im Erbschein zu bescheinigen, dass […] geboren […], Vorerbin auf den Überrest ohne Sicherstellungspflicht ist […].
Alles unter Kosten und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Einsprecherin.
BEGRÜNDUNG:
Verfügung des Einzelrichters erwächst nicht in materielle Rechtskraft.
Der Entscheid der Behörde, die den Erbschein ausstellt, ergeht im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit; die Verfügung kann durch eine spätere aufgehoben wer-den.› Im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit getroffene Entscheidungen erwachsen nicht in materielle Rechtskraft, d.h. auf sie kann zurückgekommen werden. Entsprechend ist die Verfügung bzw. die rektifizierte Verfügung vom 13. Juni 2014 entgegen den Behauptungen der Einsprecherin nicht in materielle Rechtskraft erwachsen.
Unrichtige Anordnungen müssen von Amtes wegen oder auf Antrag abgeändert werden
Bei Anordnungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit gilt der Untersuchungsgrundsatz (Art. 255 lit. b ZPO). Gemäss Art. 256 Abs. 2 ZPO gilt, dass wenn sich eine Anordnung der freiwilligen Gerichtsbarkeit im Nachhinein als unrichtig erweist, sie von Amtes wegen oder auf Antrag aufgehoben oder abgeändert werden kann. Dies bedeu-tet, dass ein Widerruf oder eine Wiedererwägung grundsätzlich zulässig ist. Die Erbbescheinigung ist eine bloss provisorische Legitimationsurkunde; sie ist jederzeit abänderbar und durch die ausstellende Behörde von Amtes wegen durch eine korrigierte zu ersetzen, sobald sie sich als materiell unrichtig erweist. Entsprechend ist die erlassende Behörde auch verpflichtet, keinen materiell unrichtigen Erbschein auszustellen; dies insbesondere mit Blick auf den Schutz der wahren Erben vor der weitreichenden Legitimationswirkung der Erbbescheinigung.
Nachfolgend wird aufgezeigt, dass […] und […] durch die Wahlerklärung und den Erbantritt die Erbenstellung erlangt haben und damit nicht mehr Nacherben sind. Dies ist entsprechend in der Erbbescheinigung zu bescheinigen.
Durch Wahlerklärung Erbenstellung erlangt; Herabsetzungsklage ist nicht notwendig
Die Kognition des Eröffnungsrichters ist nicht beschränkt und umfasst auch die Auslegung der letztwilligen Verfügung. Der Erblasser hat in Ziffer 3.2 des Ehe- und Erbvertrags verfügt, dass es den Nachkommen des erstversterbenden Ehegatten frei-steht, bereits bei dessen Tod den Pflichtteil zu verlangen. Der Erblasser wollte also explizit nicht, dass durch den Ehe- und Erbvertrag Pflichtteile verletzt werden und eine Herabsetzungsklage notwendig wird. Vielmehr hat er den Erben das Wahlrecht eingeräumt, bei seinem Tod den Pflichtteil zu verlangen.
Vorliegend haben […] und […] diese Wahlerklärung am 19. Juni 2014 abgegeben, wobei sie sich das Ausschlagungsrecht ausdrücklich vorbehalten haben.
Entgegen den Ausführungen von […] ist vorliegend eine Herabsetzungsklage einstweilen nicht notwendig, da die Pflichtteilserben […] von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht und das Erbe angetreten haben. Entsprechend kommen die Regeln von Ziff. 3.3 des Ehe- und Erbvertrages zum Zuge.
Aufgrund dieses Sachverhalts, der sich nach der Testamentseröffnung zugetragen hat, sind in der Erbenbescheinigung von Amtes wegen und materiell richtig […] als Erben aufzuführen. Dies gebieten die Rechtssicherheit und der Verkehrsschutz. Die Einsprecherin ist damit Vorerbin mit Bezug auf den Nachlass des Erblassers nach Abzug der Pflichtteilsansprüche von […]. Die restlichen Nachkommen verbleiben gestützt auf Ziff. 3.2 des Ehe- und Erbvertrages Nacherben. Die Einsprecherin bzw. Vorerbin und […] können nur gemeinsam über den Nachlass verfügen, was aus dem Erbschein hervorgehen muss.
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