Tag 634 Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege

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Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im Zusammenhang mit der Feststellungsklage betr. Erbenstellung / bzw. eventualiter Herabsetzungsklage im Nachlass von […] sel.

Sehr geehrter Herr Gerichtspräsident

Sehr geehrte Damen und Herren Bezirksrichterinnen und Bezirksrichter

Namens und im Auftrag der Gesuchsteller […] und […] reiche ich zusammen mit der Feststellungs- bzw. eventualiter Herabsetzungsklage ein Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ein und stelle folgende

Anträge:

Der Gesuchstellerin 1 und dem Gesuchsteller 2 sei die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren und sie seien insbesondere von der Leistung von Gerichtskostenvorschüssen sowie generell von Gerichtskosten zu befreien.

Die Beklagte im Verfahren betr. Feststellung- bzw. Herabsetzungsklage, […] sei einstweilen bis zur Fortsetzung des Hauptverfahrens über das vorliegende Gesuch nicht zu orientieren und nicht anzuhören und es sei ihr einstweilen keine Akteneinsicht zu gewähren.

BEGRÜNDUNG:

Zum Antrag Ziffer 1

Mittellosigkeit

Gemäss Art. 117 lit. a ZPO hat eine Person hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn sie nicht über die erforderlichen Mittel verfügt «zur Finanzierung der Prozesskosten».

Mittellos ist eine Person, welche die Leistung der erforderlichen Prozess- und Partei-kosten nur erbringen kann, wenn sie die Mittel angreift, die sie zur Deckung des Grundbedarfs für sich und ihre Familie benötigt (BGE 128 1 225 E. 2.5.1). Bei der entsprechenden Prüfung ist die gesamte finanzielle Lage der Gesuchsteller im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung zu berücksichtigen. Sie muss sämtliche finanziellen Verpflichtungen sowie Einkommens- und Vermögensverhältnisse von ihr und gegebenenfalls ihren Familienangehörigen angeben und soweit möglich belegen. Schuldverpflichtungen können nur berücksichtigt werden, wenn sie tatsächlich erfüllt werden (BGE 121 III 20 E. 3a). Der Teil der finanziellen Mittel, welcher das zur Deckung der persönlichen Bedürfnisse Notwendige überschreitet, muss mit den voraussichtlichen Kosten des Verfahrens verglichen werden, für das um unentgeltliche Rechtspflege ersucht wird. Es besteht grundsätzlich kein Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn der verfügbare Teil ausreicht, um bei relativ einfachen Prozessen die Gerichts- und Anwaltskosten binnen höchstens eines Jahres zu tilgen. Bei anderen Prozessen beträgt der massgebliche Zeitraum zwei Jahre (BGE 135 1 221 E. 5.1, PRA 2010, 25; 127 I 202 E. 3). Die zu erwartenden Prozesskosten setzen sich aus den Gerichts- und Anwaltskosten zusammen (BGer 6B 413/2009 vom 13.8.2009 E 1.5; 4P.22/2007 vom 18.4.2007 E. 3.2).

Ein gewisser Umfang an Vermögen darf als «Notgroschen» beansprucht werden und muss nicht zur Prozessführung angetastet werden. Bei ungenügendem Einkommen wird ein Vermögen von etwa CHF 20’000.00 bis maximal CHF 25’000.00 als noch verhältnismässig gering und deshalb einem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege nicht entgegenstehend betrachtet. Der zivilprozessuale Notbedarf liegt regelmässig 10-30 Prozent höher als das betreibungsrechtliche Existenzminimum, zumal insbesondere die laufenden Steuern mit zu berücksichtigen sind.

[…]

Rechtsbegehren ist nicht aussichtslos

Gestützt auf Art. 117 lit. b ZPO ist eine Voraussetzung für die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege, dass das Rechtsbegehren nicht aussichtslos ist. Als aussichtslos erscheinen Rechtsbegehren, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und daher nicht mehr als ernsthaft bezeichnet werden können.

Die eingereichte Feststellungsklage betreffend Feststellung der Erbenstellung der Gesuchsteller sowie die eventualiter geltend gemachte Herabsetzungsklage sind nicht aussichtslos. Die Gesuchsteller wurden durch Ausübung am 19. Juni 2014 des im Ehe- und Erbvertrag vorgesehenen Wahlrechts Erben. Die Beklagte bestreitet dies und behauptet, dass kein Wahlrecht eingeräumt worden sein. Vor diesem Hintergrund haben die Kläger eventualiter und rein vorsorglich auch eine Herabsetzungs-klage eingereicht. Entgegen den unsubstantierten und unbelegten Behauptungen der Beklagten, hatten die Gesuchsteller vor Testamentseröffnung keine Kenntnis vom streitgegenständlichen pflichtteilsverletzenden Ehe- und Erbvertrag. Sie hatten diesen erstmals mit Zustellung der Testamentseröffnungsverfügung in den Händen. Entsprechend ist die Herabsetzungsklage, sofern diese denn überhaupt beurteilt werden muss und die Gesuchsteller nicht bereits aufgrund ihrer Wahlerklärung Erben geworden sind, gutzuheissen. Die Gewinnchancen sind damit erheblich besser als die Verlustchancen.

Zum Antrag Ziffer 2

Die Gegenpartei des Hauptprozesses ist im Verfahren um unentgeltliche Rechtspflege nicht förmlich Partei. Die Gegenpartei kann allerdings angehört werden. Sie ist immer anzuhören, wenn die unentgeltliche Rechtspflege die Leistung der Sicherheit für die Parteientschädigung umfassen soll.

Vorliegend liegt kein Fall von Art. 19 Abs. 3 dritter Satz ZPO vor. Die Parteien befinden sich einstweilen in Verhandlungen (vgl. dazu das separate Schreiben zur Klage) und haben einen Sistierungsantrag gestellt. Die Gesuchsteller möchten daher nicht, dass die Beklagte – mindestens für die Dauer der Sistierung des Hauptprozesses – vom vorliegenden Gesuch bereits im heutigen Zeitpunkt Kenntnis erhält. Entsprechend ist von einer Anhörung gestützt auf Art. 119 Abs. 3 Satz 2 ZPO abzusehen und der Beklagten des Hauptprozesses vom vorliegenden Gesuch einstweilen keine Kenntnis zu geben.

Ich ersuche höflich um antragsgemässe Entscheidung.

Mit vorzüglicher Hochachtung

[…]